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Konferenz

EX-IN-AUSBILDUNG IN DRESDEN

​

Ein Interview mit Claudia über ihre EX-IN-Ausbildung in Dresden
 

Transkript lesefreundlich vereinfacht, mit anynomisierten Publikumsbeiträgen

I: Interviewerin
C: Claudia
P: Publikumsbeiträge

I: Also wir sind erstmal sehr froh, dass du, Claudia, gekommen bist. Du machst ja eine Ausbildung zur EX-IN-Genesungsbegleiterin. Wir haben uns Interviewfragen überlegt und möchten insgesamt erfahren, einmal was und wie die Ausbildung so ist, und was für Erfahrungen du persönlich damit machst. Magst du uns in deinen Worten beschreiben, was das für eine Ausbildung ist?

C: Genau, also das nennt sich ja EX-IN-Genesungsbegleiter*in, ich nehme immer gern noch das Weibliche dran. Jedenfalls EX-IN steht für Experience Involved, sprich Erfahrungen einbezogen, könnte man vielleicht so übersetzen. Mein Englisch ist jetzt auch nicht das Beste. Und die Ausbildung ist im Rahmen eines EU-Projekts 2006 entstanden, um Menschen, die Krisenerfahrungen gemacht haben, zu befähigen, andere Menschen in Krisen und darüber hinaus zu begleiten. Und die Bewegung will aber nicht nur direkt diese Peerarbeit fördern, sondern auch dass Menschen ihre Erfahrungen in Forschung und Weiterbildung von Fachpersonal einbringen. Es ist also die Idee, auch wenn das in Deutschland noch nicht so belebt ist, dass man mit dieser Weiterbildung dann in verschiedensten Bereichen in politischen Gremien wirkt, damit eben die Erfahrungsexpertise mehr eingebracht wird zu Nutzen der Betroffenen.

I: Okay, also die Einsätze beruflich können ganz vielfältig sein.

P: Macht ja auch Sinn. Wer schon mal selbst Erfahrungen gemacht hat, kann sie vielleicht auch leichter einbringen.

C: Genau, das ist die Idee, dass Erfahrungswissen total wertvoll ist. Und dass auch das Fachpersonal, alle davon profitieren, wenn diese Menschen, die diese Erfahrungen selber gemacht haben, mit im Team sind. Oder auch als Brückenbauer zwischen Betroffenen und Fachleuten. Also es gibt da ganz viele Vorteile.

I: Was hat dich dazu bewogen, die Ausbildung anzufangen, oder was war der entscheidende Grund?

C: Ich habe da viele Hintergründe, aber damals war ich ja versucht, mich irgendwie beruflich zu orientieren. Ich habe nach einem Weg gesucht, irgendwie ins Berufsleben zu kommen, wollte gerne in die Peerberatung und habe dann nach Weiterbildungen geschaut. Und bin dann darauf gestoßen. Also Verschiedenes, einerseits wirklich mich nochmal mit Methoden und Dingen auseinanderzusetzen, dass ich das besser machen kann, so meine Version Peerberatung. Aber auch nochmal selber meine eigene Psychiatrieerfahrung zu reflektieren und mich zu vernetzen über den Verein, der das jetzt auch in Sachsen anbietet. Ein großes wichtiges Feld für mich ist auch Entstigmatisierung, also auch da irgendwie zu wirken. Ich habe da ganz viele Impulse, wo ich so gesehen habe: Oh, da könnte mir diese Weiterbildung helfen. Auch der Kontakt mit den anderen Betroffenen, nochmal auch den eigenen Horizont zu erweitern, so: Okay, wie erleben andere Krisen, was ist für andere hilfreich?

I: Welche Voraussetzungen sind nötig, um EX-IN-Genesungsbegleiter*in zu werden?

C: Also die eigene Krisenerfahrung verständlicherweise ist die Hauptvoraussetzung. Und man sollte schon auch sich reflektieren können, weil es in den Grundmodulen ja ganz viel darum geht, die eigene Erfahrung zu reflektieren. Man muss das jetzt nicht schon vorgearbeitet haben, aber so eine Offenheit dafür, aus meiner Sicht überhaupt auch eine Offenheit für Erfahrungen und Meinungen anderer. Aus meiner Perspektive auch: man muss halt diese Wochenenden überstehen. Also es ist immer von Freitag bis Sonntag schon ein ganz schönes Zeitpensum, was mich persönlich manchmal an meine Grenzen bringt. Und man muss zwei Praktika machen. Man kann auch nur wenige Stunden in der Woche machen. Wenn man jemanden findet, der das so mit einem gestaltet, ist das vollkommen okay. Aber es ist vielleicht sinnvoll, sich vorher Gedanken zu machen, das sind ja auch schon ein paar Stündchen.

P: Rein organisatorisch auch, nicht nur von der Belastung her?

C: Also für mich ist es vor allem organisatorisch auch. Ich mache die Weiterbildung in Dresden, da kommt dann auch noch dazu, dass ich dahinfahren und mich um die Unterkunft kümmern muss. Solche Dinge muss man sich natürlich vorher überlegen, klar. Auch wenn man jetzt berufstätig ist, am Freitag Nachmittag fängt das da an. Also sozusagen: Wie kriege ich das in mein Leben rein?

P: Wie lange dauert denn die Ausbildung, also wie viele Wochenenden sind das?

C: Das sind 12 Module, also 12 Wochenenden, also ein Jahr. Das Schöne an der Weiterbildung ist, es richtet sich an Menschen, die Krisen durchlebt haben, und man kann die auch jederzeit unterbrechen. Und irgendwann und auch in einer anderen Stadt oder so weitermachen. Also da geht nichts verloren sozusagen, man kann den Rahmen beliebig strecken, wenn man doch nochmal in eine Krise rutscht und in eine Klinik muss oder was auch immer. Grundsätzlich geht das. Ja und eine Voraussetzung ist noch, man muss das halt auch finanzieren oder jemanden finden, der das finanziert.

P: Finanziert das das Arbeitsamt mittlerweile?

C: Kommt darauf an, also die Weiterbildung, die wir jetzt machen, ist nicht AZAV-zertifiziert, wie das so schön heißt. Deswegen hat das meine Vermittlerin mir nicht bezahlt. Kommt darauf an, würde ich sagen, es ist nicht sicher. Es gibt Menschen, bei denen das klappt, über Rehamaßnahme oder Sächsische Aufbaubank, das ist jetzt meine Finanzquelle. Es gibt Wege, aber ja, die sind halt auch noch nicht so selbstverständlich.

P: Was kostet die Ausbildung?

C: 2.600 Euro, ohne Unterkunft. Wobei der Verein sich dann auch um die Unterkunft kümmert über Fördermittel der Aktion Mensch. Es gibt Teilnehmende, die jetzt auch schon Unterkunftskosten finanziert gekriegt haben.

P: Ich habe da eine Frage: Was genau bedeutet diese Kriseerfahrung? Sind das alle möglichen Krisen oder ist das etwas mehr spezifisch? Hilft du dann Leuten mit einer spezifischen Krise im Vergleich zu deinen Erfahrungen?

C: Es geht nicht um eine spezifische Krise, man braucht auch keine Diagnose oder so was, um das jetzt machen zu können. Letztlich erfährt man in dem Kurs auch ganz viel, da sind ganz verschiedene Menschen mit ganz verschiedenen Erfahrungen und es geht am Anfang in dem Umfeld auch viel um Austausch. Dadurch hat man noch ein bisschen, wir nennen es immer, Wir-Wissen, also noch ein bisschen mehr Ideen, wie Krisen aussehen können. Und wen man dann nachher begleitet, also ich für mich selber sage schon, ich möchte Menschen begleiten, bei denen es viele Parallelen gibt. Also irgendwas, was mir total fremd, ist zum Beispiel eine Psychoseerfahrung, das ist für mich etwas ganz Fremdes, habe ich nie erlebt. Ich würde mich jetzt nicht als super geeignet sehen, Menschen durch psychotische Krisen zu begleiten. Ich würde mich dann eher, glaube ich, in einem Feld bewegen, wo dann mehr parallel ist, weil ich dann die Menschen besser verstehen kann.

I: Hattest du selbst schon einmal Kontakt mit einem oder einer Genesungsbegleiter*in? Und wenn ja, was konntest du davon in deine Ausbildung mitnehmen?

C: Also in meinen eigenen Krisen nicht. Als ich in der Psychiatrie war, das ist zehn Jahre ungefähr her, da gab es das vielleicht in Hamburg und Bremen, in diesen Projektstädten, schon. Ich habe jetzt natürlich Kontakt durch den Verein zu welchen, die diese Weiterbildung schon gemacht haben in dem Sinne. Und es ist ein bisschen schade, dass es in Sachsen noch ganz wenige gibt, weil das auch in den Praktika natürlich von Vorteil wäre, wenn man so näher bei den anderen gucken könnte: Na, wie machen die das denn? Bei denen, die schon ein bisschen erfahrener sind in der Genesungsbegleitung.

I: Inwiefern werden deine eigenen Krankheits- und Genesungserfahrungen in die Ausbildung eingebunden?

C: Ja, super viel. Also es gibt wie gesagt in den Grundmodulen ganz viel, aber auch später ist immer wieder sozusagen der Ausgangspunkt neben Theoriesachen und Methoden: Wie habe ich selber Sachen erlebt, wie habe ich Genesung erlebt, was wäre irgendwie hilfreich gewesen? Und dann reden wir ja und tauschen uns darüber aus, bringen das ein, das ist ein wichtiger Baustein.

I: Hast du etwas gelernt, was neu für dich war?

C: Naja, auf jeden Fall schon mal dadurch, dass da einfach verschiedene Menschen mit verschiedenen Erfahrungen sind, habe ich gelernt, für wen was hilfreich war, da wäre ich gar nicht drauf gekommen, oder irgendwie so was. Ich meine, ich bin schon lange, 10 Jahre ungefähr, auch in der Selbsthilfe aktiv. Dadurch, glaube ich, habe ich auch schon einen bisschen größeren Horizont, wie unterschiedlich das sein kann. Und ich bin ja noch mittendrin, es kommt auch noch was. Aber jetzt so zumindest in dem Aufbauteil, wo es auch mehr noch um Methoden oder so geht, lerne ich zum Beispiel Patientenfürsprache. Das war so etwas, wo ich mich noch nicht so intensiv mit beschäftigt hatte und wo einiges neu war. Auch diese ganzen rechtlichen Sachen. Das PsychKG, dieses Psychiatriegesetz, da wusste ich, dass es das gibt, aber jetzt habe ich da auch mal reingeguckt. Und bestimmte Methoden, wie Reflecting Team. Also wir wenden Sachen auch an, wir machen Rollenspiele oder so und können uns da auch einfach mal erproben. Das ist schon auch hilfreich und neu zum Teil.

I: Warst du in der Ausbildung mit besonderen Herausforderungen konfrontiert?

C: Naja, für mich ist wirklich die besondere Herausforderung ein Wochenende nach Dresden zu fahren. Also ich habe da so meine Themen mit woanders übernachten und einfach diese Kraftanstrengung, die da schon mit drin steckt. Und ich habe auch immer tierische Ängste vor Praktika. Das sind für mich so die ganz persönlichen Herausforderungen, die einfach mit meinen Themen zu tun haben.

I: Hat dir was in der Ausbildung besonders gut gefallen?

C: Also mir gefällt gut einfach der Austausch oder auch dieser Raum, so sein zu können mit all seinen Eigenheiten, die jeder so mitbringt. Das hat man in normalen Ausbildungen oder Weiterbildungen nicht so, auch wenn einem gerade irgendwas zu viel ist, dass man einfach mal rausgeht. Also ich habe so die Stehangewohnheit, ich kann da auch immer rumstehen, ohne dass irgendwer schief guckt. Das ist einfach ein schöner Raum. Ja und ich schätze wirklich auch dieses praktische Tun, also Rollenspiele oder so Methoden. Reflecting Team ist eine Methode, die wir schon öfter angewandt haben. Das ist was, wo ich viel mitnehme.

I: Du teilst ja auch in der Ausbildung die Krankheits- und Genesungserfahrungen anderer Menschen. Wie gehst du damit um?

C: Ja, ich bin es ein bisschen gewohnt, also weil ich einfach schon lange in Selbsthilfegruppen unterwegs bin, wo das auch so ist. Da habe ich jetzt auch nicht so das Problem, dass mich das irgendwie sehr belastet oder dass ich da viel mit Abgrenzung Probleme hätte. Und das Andere ist, dass wir ganz am Anfang uns intensiv überlegt haben als Gruppe, welche Regeln wir sozusagen haben wollen. Das ist halt auch Verschwiegenheit, also dass man das Vertrauen hat, was man da erzählt in der Gruppe, dass das auch dort bleibt und nicht irgendwelche Sachen in der LVZ zu lesen sind. Insofern finde ich das total wertvoll. Also wir erzählen auch unsere sogenannte Selbsterforschungsgeschichte: Wie haben wir Krisen erlebt und wie sind wir da gut durchgekommen? Das finde ich immer einen sehr schönen Teil, die anderen da einfach mehr kennen zu lernen, mehr von ihrer Lebensgeschichte auch.

I: Hast du schon eine Perspektive für die Zeit nach der Ausbildung?

C: Also keine konkrete. Ich habe jetzt nicht die Stellenausschreibung, wo ich dann anfange. Ich habe viele Ideen, es hat sich auch im Laufe der Weiterbildung noch ein bisschen breiter aufgefächert. Also es wäre zwar möglich, weil der Chefarzt von der Uniklinik und auch der Herr von Sankt Georg sehr offen sind. Da werden bald Stellen entstehen. Aber in der Psychiatrie ist gerade nicht so meine Vorstellung, ich würde gerne eher in eine Kontakt- oder Beratungsstelle. Zum Beispiel Beratungsstelle Essstörung, da bin ich auch im Kontakt mit denen. Da sehe ich mich so ein bisschen in der Peerberatung. Aber auch von wegen Stigmatisierung, irgendwie in Schulen zu gehen mit Workshops. Oder auch super gerne würde ich in die Weiterbildung von Fachleuten irgendwie reinkommen. In Hamburg gibt es die trialogische Weiterbildung, das finde ich super. Da ja  überhaupt Trialog zu fördern, noch mehr Trialoge nach Dresden holen. Also ich habe da so ganz viele Ideen, aber es ist noch nichts Rundes.

I: Ja, schöne Perspektiven. Würdest du jemandem dazu raten, diese Ausbildung auch zu machen? Also wem und warum?

C: Ja, verschieden. Also ich würde es Menschen empfehlen, einerseits kann es ja eine Motivation sein, ein Weg, sich irgendwie beruflich zu festigen. Da sehe ich echt, dass das langsam eine Perspektive auch in Sachsen wird, also vor allen Dingen auch in Leipzig, wenn ich so einen Herr Schomerus oder so höre. Aber auch Menschen, die einfach andere ehrenamtlich oder wie auch immer begleiten wollen, die da einfach sich noch mehr Know-How aneignen wollen, noch mehr Austausch oder auch Netzwerken. Also ich meine, ich habe über Jahre Therapie mich schon sehr, sehr viel selbst reflektiert und aufgearbeitet oder sonst was. Deswegen war jetzt für mich manches nicht so neu. Aber wenn man da jetzt noch nicht so Jahre lang mit zugebracht hat, kann man da, glaube ich, auch für sich selber einfach was mitnehmen. Einfach nochmal Anstöße zu kriegen, sich so Sachen einfach nochmal anzuschauen. Lohnt sich, glaube ich, also jeder nimmt da irgendwas mit.

I: Ja, das waren unsere Fragen. Hast du vielleicht selbst noch irgendwas auf dem Herzen, was dir wichtig ist?

C: Was mir wichtig ist, ich meine insgesamt so und auch in der Weiterbildung oder im Kontext, wo die Weiterbildung ja auch hinzielt, ist das Miteinander-ins-Gespräch-kommen, also der Austausch. Gerade deswegen bin ich auch so ein Fan vom Trialog, davon füreinander Verständnis für die verschiedenen Perspektiven zu bekommen. Ich habe das selber manchmal durch meine Psychiatrieerfahrungen gelernt, die ‚bösen Psychiater‘ oder manchmal auch andere Gruppen dann in einen Topf zu schmeißen, aber dann zu sagen: Ah, ne, Halt, Stopp, lass uns doch mal zusammensetzen, warum agierst du denn in der Situation so, was hast du denn vielleicht für Zwänge, für was auch immer mitgebracht? Also das ist mir einfach so ein Herzensanliegen. Auch über das Thema hinaus sind das ja auch gerade irgendwie so viele Polaritäten in unserer Gesellschaft und da wieder an einen Tisch zu kommen und zu sagen: Okay, vielleicht wollen wir ja alle eigentlich das Gleiche. Und ich glaube, im Kern haben wir alle die gleichen Bedürfnisse. Sich auf Augenhöhe und wertschätzend begegnen.

I: Ja, wahrscheinlich ist die Ausbildung ein schöner Raum, wo das so gelebt wird.

C: Ja, würde ich schon sagen.

P: Was glaubst du, wenn es die Ausbildung schon so lange gibt, woran liegt es, dass das von Profis in Kliniken oder in Institutionen so schleppend anläuft? Ich meine, 15 Jahre, wie viele Genesungsbegleiter gibt es da schon. Warum ist das so, also wenn ich den Markt anschaue nach dem Bedarf, man könnte ja denken: Ey, geil, ihr könnt doch diese ganzen Profis, diese ganzen erfahrenen Menschen viel mehr nutzen. Und und wenn man die Stellen sieht, sind das maximal Minijobs. Es gibt selten Stellen, wo man sagt: Das ist eine berufliche Perspektive. Ehrenamt kann man natürlich immer machen, aber wenn man sagt „Das soll ein etablierter Beruf werden“, dann steckt das ja wirklich in den Kinderschuhen, was ich erschreckend finde. Was glaubst du, woran liegt das und wie kann man das voranbringen? Was braucht es, damit Profis, Klinikärzte, Psychiater, Psychologen, gemeindenahe Psychiatrien das noch mehr nutzen? Also das ist jetzt auch eine Frage, die ich mir, seitdem ich das weiß, auch stelle, weil ich sage: Lohnt sich das? Mal abgesehen von der Selbsterfahrung, also lohnt sich das wirklich jetzt oder muss ich nach Hamburg oder Berlin ziehen?

C: Also ich glaube, dass sich das in Leipzig jetzt echt anfängt zu lohnen wegen dem neuen Chefarzt in der Uniklinik. Also ich habe einen guten Eindruck von ihm und er möchte auf jeder Station einen Genesungsbegleiter einstellen. Es gab eine Stellenausschreibung in Sankt Georg. Also ich habe das Gefühl, da ist in Leipzig was in Bewegung. Diese Ausbildung in Dresden, die ich jetzt mache, das ist die erste in Sachsen. Hier gibt es auch noch nicht so viel. In Hamburg, in Bremen, da hat es ja angefangen. Also diese 15 Jahre beziehen sich ja eher auf diese Orte. Und dann gibt es halt noch so ein bisschen in Westdeutschland und so langsam hat sich das ja erst verteilt. Tja, ich glaube, ein Weg wäre wirklich, was ich zum Ende ja auch nochmal gesagt habe, dieses Miteinander-ins-Gespräch-kommen. Wie bringt man die Menschen dahin? Also ich habe da auch keine Antwort darauf so richtig.

P: Ist man willkommen als Betroffener, ist man wirklich willkommen als Betroffener in einem Team in der Klinik? Oder ist da doch dieses: Ah, da ist der, der schon mal hier war! Also wie ist deine Erfahrung aus dem Praktikum zum Beispiel?

C: Ich habe erst das erste Praktikum von den beiden gemacht. Das habe ich im Offenen Dialog e.V. gemacht. Die sind da einfach sehr offen. Die sind ja schon gemischt, da sind schon Peers mit drin. Und ich habe das bewusst so gemacht, um mir das im Leben nicht so schwer zu machen, weil ich die Befürchtung auch hatte.

P: Also in der Uniklinik ist man wirklich willkommen. Ich habe da mein Praktikum gemacht, vier Wochen. Und ohne irgendwie dass die gesagt hätten „Ja, Sie waren ja schon mal hier“ oder sowas. Die waren wirklich freundlich, aber auch bestimmt. Du musstest also auch das machen, was die auch gemacht haben Also du konntest dich nicht einfach rausnehmen irgendwie.

P: Ich könnte mir auch vorstellen, dass das bei vielen auch so ist, dass sie Quereinsteiger sind und die da sind die Profis. Und dann ist die Finanzierung von Stellen wahrscheinlich auch ein Problem für viele.

P: Das würde mich auch interessieren. Zahlt das die Klinik oder ist das extern? Also sind das so geschaffene Stellen von irgendeinem anderen Träger oder…?

C: Ne, also es gibt wohl eine gesetzliche Änderung, dass jetzt erst seit Kurzem die Kliniken auch ein Budget dafür haben sozusagen. Du weißt das genauer oder…?

P: Ja, genauer nicht. Aber ich habe das auch gehört, dass das Pflicht ist, eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern. Das wäre nämlich jetzt meine Frage gewesen, ob diese Stellen da mit reingehören oder ob sich das jetzt nur auf Psychologen, Ärzte und Pfleger bezieht.

C: Ne, also, wie ich das verstanden habe, ist es wirklich so, dass genau die EX-IN, die Experten aus Erfahrung, Teil sein müssen.

P: Man bekommt eher in der Klinik einen Job als in den Einrichtungen. Ich bin im Boot. Ehrenamtlich kannst du da Peerberatung machen, aber du wirst nie einen Job kriegen als Genesungsbegleiter.

P: Da ist ja schön und gut, aber natürlich schade.

C: Ja. Wobei der Geschäftsführer vom Gutshof Stötteritz, der hat ja schon vor zwei Jahren, glaube ich, eine Peerberatung also auch einfach als Erfahrungsexpertin eingestellt. Mit dem hatte ich mal gesprochen, er hat gesagt: „Man muss es wollen, es geht“. Also auch als Einrichtung, das Boot wäre dann das Gleiche. Wenn man das will, dann kriegt man das auch hin. Ich bin kein Geschäftsführer von so einer Einrichtung, keine Ahnung, aber das war seine Aussage.

P: Wie hoch ist in deiner Gruppe zum Beispiel der Anteil von Menschen, die sagen „Ich mache das einfach für mich“? Und wie viele wollen auch beruflich was daraus machen? Es ist ja auch immer nochmal was anderes, wenn ich das wirklich nur so für die eigene Aufarbeitung mache. Und wie stabil muss man sein oder wie lange muss die Erkrankung oder die Krise zurückliegen? Ist das egal?

C: Ja, das ist egal. Also ich hatte letztens, jetzt in diesem Jahr auch, eine Zeit, die ich jetzt als Krise bezeichnen würde. Und ich bin noch nicht genesen.

P: Also ist das keine Voraussetzung in dem Sinne.

C: Ne, und auch dieser Begriff Krise oder Stabilität. Also, wenn man sich da bewirbt, da hat man ein Vorgespräch. Und das Konzept ist ja auch: Ich kann es unterbrechen. Also es wird ja nicht erwartet, dass man nie wieder eine Krise durchlebt. Und wie viele das jetzt machen, um beruflich einen Weg zu finden oder so, das habe ich gar nicht so im Gefühl.

P: Ja, versuchen tun das die meisten, aber, was daraus wird, weiß man ja nicht. Und ob die Stellen geschaffen werden.

C: Also wir haben jetzt einen in der Gruppe, der auch einen Job hat aus einem Praktikum heraus. Der hat das gestern erzählt. Man muss natürlich auch dazu sagen, von wegen Minijob, manche sagen ja auch: „Ich will maximal 10 Stunden in der Woche, Obergrenze, das reicht mir, ich habe eine EU-Rente und will ein bisschen was dazuverdienen.“ Also es ist sehr verschieden. Wir haben auch Leute, die machen eine 40-Stunden-Woche oder, weiß ich nicht, vielleicht sind es auch nur 30. Also manche wollen da auch weitergehen.

P: Ich habe auch mal gelesen, dass die Polizei sich viel um Leute kümmert, die eine Krise haben, und dann nicht so gut handeln. Also Leute, die Erfahrung haben, sollen Teil davon werden, damit die Polizei nicht so handelt, dass sich die Krise verschlimmert. Ich weiß nicht, wie ist das in Deutschland mit diesem Dialog, um das zu verbessern, damit eine Krise nicht so eskaliert und das alles ein bisschen anders wird?

P: Das müssten die Anwender ja aber auch ein Stück weit erstmal selbst wollen. Wer es nicht aus Überzeugung macht, sondern nur gesagt kriegt „Du musst“, denke ich, würde eine Hilfe dann auch immer schwierig sein in einer Grenzsituation. Das ist, denke ich, kein einfaches Thema.

C: Ne, also ich fände es total wichtig, dass Experten aus Erfahrung in diesem ganzen Feld Ausbildung drin sind. Ausbildung von Polizei, Ausbildung von Psychiatern, von Sozialpädagogen, was weiß ich. Also diese ganzen Berufsgruppen, dass die schon, wenn sie es noch lernen, da einen anderen Blickwinkel mit reinkriegen. Da sehe ich eine Chance, wenn das mal irgendwann Realität ist.

I: Also quasi alle Menschen, die mit Menschen arbeiten werden. Das ist die Vision.

C: Ja, im Prinzip ja.

P: Aber das ist ja ein Thema, was wir schon immer in der Gesellschaft haben. Also ich weiß, dass zum Beispiel meine Tochter, die hat eine Dyskalkulie, in der Schule massive Schwierigkeiten hatte. Lehrer sollten sich eigentlich damit auseinandersetzen. Aber das ist dann so: Ne, das gab es früher nicht und, ach, das ist alles Quatsch, die muss sich nur hinsetzen und lernen. Mit solchem Zeug musste man sich jahrelang rumschlagen als Eltern. Also die offene Kommunikation, die müssen halt alle pflegen. Das schafft aber nicht immer jeder, das ist halt leider so.

C: Ja. Naja und vielleicht auch mutige Menschen mit Krisenerfahrung, die damit auch mehr in die Öffentlichkeit gehen. Also ich glaube ja, auch im Team, wo jetzt angeblich noch keine Krisenerfahrenen drin sind, da sind ja welche drin. Es kann mir keiner erzählen, dass unter den ganzen Psychiatern, Ergotherapeuten, was weiß ich, keine Krisenerfahrenen drin sind. Die sagen es halt nur nicht.

P: Die Mut zum Outing ist einfach noch nicht so gesellschaftlich.

P: Die, die offen damit umgehen, die nutzen das meistens ja auch schon in ihrem privaten Umfeld. Also ich sage mal, ich habe auch über 10 Jahre immer mal wieder mit depressiven Verstimmungen zu tun gehabt und mir ist irgendwann mal aufgefallen: Ich ziehe in meinem Leben auch immer irgendwie Leute an, die auch irgendwelche Probleme haben. Und dann stelle ich mich als Helfer gerne an die Seite. Vielleicht nicht immer ganz so erfolgreich, aber man probiert es halt immer, ist auch ein Stück weit Eigentherapie.

P: Ich finde es schön, wie du gesagt hast, dass du die Vision hast mit den Vorträgen oder in Schulen zu gehen. Diese ganze Aufklärung von jüngeren Menschen, wie normal das ist, dass psychische Erkrankungen Teil der Gesellschaft sind so wie alle anderen Makel. Oder eben dass jeder irgendetwas hat und dass wir selbstverständlich damit umgehen können. Und dass Lehrer und Kinder einfach viel normaler mit solchen Dingen umgehen und von unserer ganzen Gemeinschaft einfach viel eher konfrontiert werden und nicht erst selbst betroffen sind und sagen: Oh, boah, was ist jetzt los hier? Was ist jetzt mit mir los? Sondern dass sie davon gehört haben durch Menschen, die in Schulen gehen und so. Das finde ich echt eine super geile Idee.

C: Naja, das gibt es ja im Prinzip auch schon, also Irrsinnig menschlich. Es gibt diesen Verein, der in Schulen geht und da ist auch immer ein Erfahrener dabei und ein anderer, die so etwas machen. Aber es bräuchte einfach noch mehr.

P: Ja, genau, das ist ja so ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das ist ja nicht Standard, dass jede Klasse solche Vorträge hat. Da muss man sich als Schule ja auch darum bewerben oder die Leute reinholen. Das ist noch nicht die breite Masse.

I: Ja. Aber, wie du sagst, wir brauchen das Bewusstsein, dass Krisen und Krankheit normal sind. Dass jeder mal betroffen sein kann.

P: Und jeder ist ja auch betroffen.

P: Wir schaffen es doch seit Jahrzehnten auch in unserer Gesellschaft, egal ob im Berufsleben oder nicht, dass diese Krisen ja auch immer mehr betreffen, weil wir uns ja im Alltag teilweise auch ziemlich überfordern. Also gerade mit den ganzen neuen Medien, die wir seit 30 Jahren haben. Das ist alles so schnellebig, dass unser Gehirn da ja teilweise nur noch hinterherstolpert. Also das kann ganz schnell immer jeden betreffen. Ich oder mein Kopf hat auch irgendwann mal ausgesetzt. Ich war im mittleren Management und dann habe ich gesagt: Okay, dass ein Kopf sowas verursachen kann, erstaunlich. Aber der kriegt dann halt sein Leben nicht mehr auf die Reihe. Und das geht so, fast wie Schalter umlegen. Wir haben Handlungsbedarf.

P: Ganz kurz noch diese Geschichte mit der Wohnungssache. Also das ist so die Überlegung: Wenn man es nicht finanziert kriegt und man hat da noch, wie du sagtest, den Verein, der einem hilft. Kannst du da ganz kurz noch etwas zu sagen?

C: Ah, die Unterkunftskosten meinst du. Die Ausbildung, die ich mache, wird aktuell ja vom EX-IN Sachsen ausgeführt. Und die haben Fördermittel von Aktion Mensch, von denen sie uns Teilnehmern Unterkunftskosten finanzieren können. Also das müssen sie immer wieder neu beantragen und es ist immer wieder die Frage, ob es für die nächsten Module auch wieder finanziert wird. Mehr weiß ich dazu auch nicht. Ich habe bisher noch nichts gekriegt, ich habe denen meine Rechnungen geschickt.

P: Okay, also muss man doch in der Lage sein, das erstmal vorzufinanzieren.

P: Wir sind im gleichen Kurs. Ich bekomme diesen Lehrgang bezahlt. Aber die Übernachtungen muss ich auch selber bezahlen. Aber die bezahlen so ungefähr die Hälfte von den Übernachtungen, ich habe schon die Hälfte wieder zurückgekriegt vom EX-IN. Das hat geklappt.

P: Was hast du denn für fachliche Vorqualifikationen? Benötigt man da welche oder ist das eher wirklich Quereinsteigen?

C: Man braucht keine fachlichen Qualifikationen. Also es geht ja gerade darum, dass eben diese Erfahrung deine Kompetenz ist sozusagen, und das reflektiert zu haben. Wir haben verschiedenste berufliche Hintergründe in der Gruppe.

P: Und diese Weiterbildung bezieht sich jetzt auf Erwachsene mit psychischen Erkrankungen? Wie schaut es mit Kindern und Jugendlichen aus oder mit älteren Menschen, die in einer Gerontopsychiatrie sind zum Beispiel?

C: Also ich glaube, Kinder und Jugendliche ist nochmal ein eigenes Feld. Ich glaube, das ist nicht so fest umrissen. Aber ich würde jetzt mal sagen, es geht schon um die Erwachsenen. In der Gerontopsychiatrie, warum nicht? Also fühlt sich jetzt für einen Achtzigjährigen eine Depression anders an als für einen Vierzigjährigen? Keine Ahnung. Also es spricht nichts dagegen, wenn es eine Stelle in der Geronto gäbe. Kinder und Jugendliche finde ich halt speziell, weil man ja nicht mehr im engeren Sinne ein Peer ist. Also gut, man kann sagen: Okay, ich habe selber als Kind oder Jugendliche psychische Krisen erlebt. Das wäre auch nochmal eine neue Tür, glaube ich. Also da habe ich noch nichts gehört, dass der EX-IN da in dem Bereich arbeitet. Wäre aber auch gut.

C: Ich kann ja hier noch Flyer hinlegen. Da kann man dann auch mal auf der Homepage gucken.

I: Vielen Dank.

C: Gerne, danke, dass ihr alle da wart.

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